erschienen in „Die Glocke“, 19.07.2019
„Stopp“: Sich laut und deutlich abgrenzen haben die Teilnehmerinnen im Selbstbehauptungskursus an der Gesamtschule am Burgweg in Wiedenbrück gelernt. Das Bild zeigt (v. l.) Schulsozialarbeiterin und Deeskalationstrainerin Anja Carré sowie die Teilnehmerinnen Tibel (11), Kimberley (10), Michelle (13), Lana (12) und Emma (11).
Rheda-Wiedenbrück (gl). Spaß wollen sie haben, die fünf Mädels, und deshalb sind sie in der ersten Ferienwoche in der Gesamtschule am Burgweg anzutreffen. Paradox? Keineswegs. Die Fünft- bis Siebtklässlerinnen haben die Chance genutzt, an dem ersten Selbstbehauptungskursus teilzunehmen, den Schulsozialarbeiterin Anja Carré anbietet.
Sechs Stunden an zwei Tagen haben Emma, Kimberly, Lana, Michelle und Tibel die Gelegenheit, mehr über sich selbst zu erfahren und an ihrem Selbstwertgefühl zu arbeiten. Zugleich befassen sie sich mit dem Thema Gewalt, um so in brenzligen Situationen nicht unvorbereitet zu sein. „Es geht nicht darum, dass sie kämpfen“, betont Anja Carré , die seit Mai als Schulsozialarbeiterin an der städtischen Gesamtschule Rheda-Wiedenbrück arbeitet und zugleich als Antigewalt- und Deeskalationstrainerin qualifiziert ist. Doch die Mächen sollen nach dem Kursus wissen, wo und wie sie Grenzen ziehen und sich besser schützen können.
Körpersprache ist beispielsweise ein wichtiger Aspekt, unterstreicht Anja Carré . Eine duckmäuserische Haltung etwa strahle eher eine potenzielle Opferrolle aus. Besser gewappnet gegen mögliche Aggressoren sei, wer einen festen, schulterbreiten Stand einnimmt und Körperspannung hält.
Bereits am ersten Tag gelernt haben die Teilnehmerinnen, wie sie wirkungsvoll ihre Stimme einsetzen können, und zwar bei der „Stopp“-Übung. Gerade für zurückhaltende Mädchen bedürfe es des Trainings, laut „Stopp“ zu rufen. Das bestätigen die Gesamtschülerinnen und berichten davon, dass sie – zunächst befremdet – nach anfänglichem Kichern durch wiederholtes Ausprobieren Fortschritte gemacht hätten.
Bei dem Angebot, das in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsstelle der Stadt ermöglicht wird, kommen auch diverse Gerätschaften zum Einsatz wie etwa Pratzen, das sind Schlagpolster, Schaumstoffschläger, Boxhandschuhe und Brustschutz. Auf diese Weise können sich die Teilnehmerinnen gut geschützt ausprobieren. Sie lernen es, Gewalt zu definieren und einen Perspektivechsel vorzunehmen, indem sie in die Angreiferrolle schlüpfen. Zudem erfahren sie, wie sie Energie weiterleiten können.
Weitere wesentliche Aspekte sind die Selbstwahrnehmung und Abgrenzung. „Wo würdest du dich in ganz normalen Alltagssituationen anfassen lassen?“, lautet dazu die entscheidende Frage. Bei der „Titanic“-Übung wiederum gilt es – anders als bei der vielen bekannten „Reise nach Jerusalem“ – gemeinsam Platz auf immer weniger werdenden Stühlen zu finden. Es gilt das Motto: Entweder schaffen es alle oder keiner. Am zweiten Kurstag jedenfalls steht fest: Die Schülerinnen sind zu einem Team zusammengewachsen, das gemeinsam viel lernt und Spaß hat.