erschienen in „Neue Westfälische“, 23.07.2019
Stop: Anja Carré trainiert mit Emma, Fibel, Lana, Kimberly und Michelle (v. I.) den Sicherheitsabstand.
Klare Ansagen: Mädchen lernen bei Anja Carré, wie sie mit sich und anderen umgehen können. Ein wichtiger Faktor dabei ist zum Beispiel die Körpersprache
Von Ingo Müntz
Rheda-Wiedenbrück. Bei manchen war es zunächst Langeweile. Die Ferien sind da. Auch in der städtischen Gesamtschule. Was tun? Dann kam Schulsozialarbeiterin Anja Carré mit ihrem Selbstbehauptungskurs um die Ecke.
„Das klang für mich spannend, und ich wollte wissen, was da so gemacht wird“, sagt Schülerin Lana. „Bis gestern habe ich mir noch nie Gedanken über einen persönlichen Sicherheitsabstand gemacht.“ Zwei Tage lang hat die Kursleiterin vorwiegend eines versucht: Die jungen Teilnehmerinnen zu sensibilisieren. Zu sensibilisieren für sich selbst und den Umgang mit anderen, vor allem fremden Menschen.
So geht’s: Anja Carré erklärt den Mädchen einfache Lösungen. | Stop: Anja Carré trainiert mit Emma, Fibel, Lana, Kimberly und Michelle (v. I.) den Sicherheitsabstand. |
Selbst geschriebene Plakate hängen da, Boxhandschuhe, eine Pratze und eine Schutzweste. In der Mitte der Stuhlkreis mit den fünf Teilnehmerinnen, alle zwischen 10 und 13 Jahren alt. Schlechte Erfahrung mit fremden Menschen hat noch keines der Mädchen gesammelt. „Mit meinen Geschwistern schon eher“, sagt Michelle und lacht. Und Kimberly fand die Übung über Körperhaltung gut: „Zum einen zu erkennen, wie die anderen sich positionieren. Und für mich zu lernen, einen sicheren Stand einzunehmen. Falls man mal geschubst wird.“
Anja Carré ist Antigewalt- und Deeskalationstrainerin. „So ein Kurs kann hilfreich sein für Mädchen, die eher zurück haltend sind“, sagt die Trainerin. „So ein Kurs kann allerdings auch sehr hilfreich sein für Mädchen, die sehr offensiv sind. Sie können lernen, sich zurückzunehmen. Denn es ist wichtig, sich dafür zu sensibilisieren, wie man selbst auch auf andere Menschen wirkt.“ Gleichzeitig sei es wichtig, Menschen gegenüber offen zu sein. „Ich kann die Taten eines Menschen verurteilen, nicht jedoch den Menschen.“ Darum ging es in dem zweitägigen Kurs darum, Bedrohungssituationen zu erkennen und sich ihnen zu entziehen. „Dafür kann es helfen, für gewisse Situationen einen Ablaufplan oder eine Reaktion parat zu haben.“
Ein erster Anfang kann eine klare Körpersprache sein, so Carré. Beispiele haben sie auf einem Poster gesammelt. Klares Stop-Zeichen mit der Hand, Daumen nach oben, Gefühle mit dem Gesicht ausdrücken oder Körperhaltung stehen da aufgelistet. Emma sagt, sie habe viel über Körpersprache gelernt. „Sollte mich ein Fremder bedrängen, muss ich ihm gegenüber eine klare Aussage machen. Zum Beispiel mit dem Stop-Zeichen.“ Ein interessantes Nebenergebnis war für Emma auch, die anderen Mädchen kennenzulernen. Sie gehen auf eine Schule, kannten sich jedoch nicht. „Zu Beginn mussten wir einen Steckbrief übereinander verfassen. Und so konnten wir uns auch kennenlernen.“
Anja Carré hat den Kurs gemeinsam mit der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Susanne Fischer auf die Beine gestellt. „Mir ist es wichtig, den Teilnehmerinnen sinnvolle Regeln mitzugeben. Zum Beispiel zur Körpersprache: Wie drücke ich was am besten aus. Wir machen Übungen für den festen Stand, suchen unser Gleichgewicht. Das alles gilt es langsam aufzubauen.“ Letztlich sei es völlig egal, wie man aussehe oder wirke, „jede Teilnehmerin hat ihre Stärken und Schwächen.“